Hamburger Anzeiger - Gericht verurteilt Istanbuler Bürgermeister zu Politikverbot und Haft

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Gericht verurteilt Istanbuler Bürgermeister zu Politikverbot und Haft
Gericht verurteilt Istanbuler Bürgermeister zu Politikverbot und Haft / Foto: Yasin AKGUL - AFP

Gericht verurteilt Istanbuler Bürgermeister zu Politikverbot und Haft

Ein türkisches Gericht hat wenige Monate vor wichtigen Wahlen ein Politikverbot gegen den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu verhängt. Imamoglu wurde nach Gerichtsangaben am Mittwoch wegen Beleidigung von Staatsbediensteten zu mehr als zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt. Für die Dauer der Strafe ist der Hoffnungsträger der oppositionellen CHP auch von allen politischen Ämtern ausgeschlossen.

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Sein Anwalt kündigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an, Berufung gegen das Urteil einlegen zu wollen. Wer in der Türkei zu weniger als vier Jahren Haft verurteilt wird, kommt nur selten hinter Gitter. Doch mit dem Urteil ist Imamoglu für die Dauer der Strafe faktisch von jedem politischen Amt ausgeschlossen. Während des Berufungsverfahrens bleibt er jedoch zunächst in seinem Amt als Bürgermeister von Istanbul.

Hunderte seiner Anhänger versammelten sich kurz nach der Verlesung des Urteils vor dem Bürgermeisterbüro und forderten den Rücktritt der Regierung. Imamoglu seinerseits rief der Menge zu: "Eine Handvoll Leute kann uns nicht die Macht wegnehmen, die uns das Volk gegeben hat."

Der Politiker der oppositionellen CHP gilt seit seiner Wahl im Jahr 2019 als aufstrebender Politikstern und als potenzieller Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdogan bei der Präsidentschaftswahl 2023. Umfragen zufolge hätte er gute Chancen, Erdogan zu besiegen.

Der 52-Jährige hatte bei der Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul im Juni 2019 eine klare Mehrheit erhalten. Die Wahl des Politikers der sozialdemokratischen CHP war eine empfindliche Niederlage für den türkischen Präsidenten und dessen islamisch-konservative AKP.

Auf deren Druck war der Sieg der Opposition bei der ersten Wahl im März annulliert worden. Später hatte Imamoglu in einer beiläufigen Bemerkung gegenüber Journalisten Beamte im Zusammenhang mit der Annullierung als "Idioten" bezeichnet - und wurde nun dafür wegen Beleidigung verurteilt.

Der Prozess gegen ihn war am Mittwoch unter sichtbaren Sicherheitsvorkehrungen erfolgt. Ab dem frühen Morgen waren die unmittelbare Umgebung des Gerichtsgebäudes abgeriegelt sowie die Straßen von der Polizei gesperrt, wie AFP-Reporter beobachteten.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe zwischen 15 Monaten und vier Jahren für den CHP-Politiker gefordert. Der Bürgermeister hatte zuvor erklärt, der Prozess sei "politisch" motiviert. "Es ist wirklich traurig, dass wir so weit gekommen sind, aber ich will trotz allem den Richtern vertrauen", hatte Imamoglu noch am Dienstagabend dem türkischen Privatsender TV100 gesagt.

Das Urteil zeige "Erdogans Angst vor einer Wahlniederlage bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im kommenden Jahr", erklärte der Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Max Lucks. Das Urteil sei "nichts anderes als die Rache" dafür, dass Imamoglu die Kommunalwahlen in Istanbul gewonnen habe. Schon die Anklage gegen den beliebten Bürgermeister sei "ein klarer Bruch mit rechtsstaatlichen Kriterien" gewesen. "Dieses Urteil ist und dieser gesamte Prozess war bereits von Anfang an ein erneuter Beweis für die politische Instrumentalisierung der Justiz", erklärte der Grünen-Außenpolitiker.

R.Weber--HHA