Hamburger Anzeiger - Türkei beendet fast alle Rettungseinsätze rund zwei Wochen nach Erdbeben

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Türkei beendet fast alle Rettungseinsätze rund zwei Wochen nach Erdbeben
Türkei beendet fast alle Rettungseinsätze rund zwei Wochen nach Erdbeben / Foto: BULENT KILIC - AFP

Türkei beendet fast alle Rettungseinsätze rund zwei Wochen nach Erdbeben

Rund zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben mit über 44.000 Toten im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind die Rettungseinsätze in nahezu allen betroffenen Provinzen der Türkei eingestellt worden. Der türkische Katastrophenschutz teilte am Sonntag mit, Rettungsteams nur noch in den zwei Provinzen Hatay und Kahramanmaras einzusetzen. Für den syrischen Teil des Katastrophengebiets schlug die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen wegen der desolaten Versorgung der Erdbebenopfer Alarm. Die Bundesregierung und die USA sagten derweil zusätzliche Hilfsgelder für die Katastrophenregion zu.

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Such- und Rettungsteams in der Türkei hatten am Sonntag in den vorangegangenen 24 Stunden keine Überlebenden mehr gefunden. Laut Yunus Sezer, Chef des türkischen Katastrophenschutzes, beendete die Behörde nun ihre Einsätze in fast allen der elf betroffenen Provinzen der Türkei. Lediglich an rund 40 Gebäuden in den Provinzen Kahramanmaras und Hatay nahe des Epizentrums des Bebens laufe die Suche nach möglichen Überlebenden weiter, sagte Sezer.

Tausende Menschen werden in der Türkei und in Syrien noch immer vermisst. Ihre Überlebenschancen sind angesichts niedriger Temperaturen und der fortschreitenden Zeit verschwindend gering. Einem Rettungsteam war es am Samstag dennoch gelungen, zwei weitere Menschen in der Türkei lebend aus den Trümmern zu bergen. Nach 296 Stunden konnten drei Menschen aus einem eingestürzten Gebäuden in Antakya geborgen werden, darunter ein 12-jähriges Kind, das nach Angaben der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu jedoch nach seiner Rettung starb. Die beiden anderen Überlebenden, die Eltern des Kindes, wurden demnach ins Krankenhaus gebracht.

Unter den vielen Menschen, die in der Stadt Antakya am Samstag tot geborgen wurden, war der frühere ghanaische Fußballnationalspieler Christian Atsu. Atsus Manager bestätigte den Tod des Sportlers in den Trümmern eines Hochhauses, das erst 2013 nach dem Erlass strengerer Bauvorschriften errichtet worden war. Der für das Hochhaus zuständige Bauunternehmer war vier Tage nach dem Beben am Flughafen in Istanbul festgenommen worden, als er versucht hatte, nach Montenegro zu fliehen.

Nach Angaben des türkischen Vizepräsidenten Fuat Oktay hat das Beben mindestens 105.000 Gebäude vollständig oder teilweise zerstört. Internetnutzer in der Türkei erinnerten mit Dutzenden alten Tweets und Videos an Erdogans frühere fahrlässige Politik beim Häuserbau. In einem Videoclip von 2018 gratulierte Erdogan Beamten zur Einführung eines Amnestiegesetzes, das sechs Millionen Gebäude mit nachweislichen Sicherheitslücken für bewohnbar erklärte.

Laut Experten kann die Nichtbeachtung von Baustandards die extrem hohe Opferzahl in der Erdbebenregion erklären. In der Türkei alleine stieg die Zahl der Opfer des schweren Erdbebens vom 6. Februar am Wochenende nach offiziellen Angaben auf über 40.000.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) forderte am Sonntag, die Hilfen für Syrien "dringend" massiv zu erhöhen. "Die Hilfe tröpfelt momentan in zu vernachlässigender Menge ein", sagte Hakim Khaldi, der Leiter der syrischen MSF-Hilfsmission. "Wir haben unsere Notvorräte in drei Tagen aufgebraucht." Nach Angaben des MSF-Sprechers kommt in Syrien sogar weniger Hilfe an als vor dem Erdbeben.

Am Sonntag war ein MSF-Konvoi aus 14 Lastwagen mit 1269 Zelten und Winterausrüstung über die türkisch-syrische Grenze in den von überwiegend islamistischen Milizen kontrollierten Norden Syriens gefahren. Selbst die UNO hatte zwischenzeitlich von "internationalem Versagen" bei der Unterstützung Syriens gesprochen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte an, die Hilfen der Bundesregierung für die syrischen Erdbebenopfer um 22,2 Millionen Euro zu erhöhen. Deutschlands Erdbebenhilfe für Syrien steigt damit laut "Bild am Sonntag" auf knapp 50 Millionen Euro. Den Menschen dort fehle nach zehn Jahren Krieg und dem Erdbeben nun das Allernötigste zum Überleben, sagte sie der Zeitung.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich am Wochenende "sehr, sehr dankbar" für die Solidarität, Spenden und privaten Hilfsinitiativen der Bürger und wünschte den Hilfsorganisationen vor Ort Kraft für ihre "lebenswichtige Arbeit". "Deutschland hilft," sagte er.

Auch die USA hatten 85 Millionen Dollar Soforthilfe für die Erdbebenregion bereitgestellt. Am Sonntag traf US-Außenminister Antony Blinken in der Türkei ein und versprach zusätzlich 100 Millionen Dollar. Er überflog gemeinsam mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu das Katastrophengebiet, am Montag wollte er Staatschef Recep Tayyip Erdogan in Ankara treffen.

W.Widmer--HHA