Hamburger Anzeiger - Gutachten: Anerkennung als Flüchtling bei drohender häuslicher Gewalt möglich

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Gutachten: Anerkennung als Flüchtling bei drohender häuslicher Gewalt möglich
Gutachten: Anerkennung als Flüchtling bei drohender häuslicher Gewalt möglich / Foto: DIMITAR DILKOFF - AFP/Archiv

Gutachten: Anerkennung als Flüchtling bei drohender häuslicher Gewalt möglich

Einem juristischen Gutachten zufolge kann eine im Herkunftsland zwangsverheiratete Frau in der EU als Flüchtling anerkannt werden, wenn ihr bei einer Rückkehr häusliche Gewalt droht. Die Flüchtlingseigenschaft könne ihr dann wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zuerkannt werden, argumentierte Generalanwalt Richard de la Tour am Donnerstag in seinen Schlussanträgen am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Menschen können als Flüchtlinge anerkannt werden, wenn ihnen aus bestimmten Gründen die Verfolgung droht. (Az. C-621/21)

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Dazu zählen die sogenannte Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder eben auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Voraussetzung ist, dass die Angehörigen einer solchen Gruppe gemeinsame angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund haben, der nicht verändert werden kann. Außerdem müssen sie im Herkunftsland eine deutlich abgegrenzte Identität haben.

Diese Voraussetzungen sah der Generalanwalt hier erfüllt. Das biologische Geschlecht könne als angeborenes Merkmal gelten. Außerdem sei Geschlecht ein soziologisches Konzept. Die Rollen, die Frauen und Männern in einer Gesellschaft zugeschrieben würden, und sich daraus ergebende mögliche Ungleichheiten seien gesellschaftlich vorgegeben. Geschlechtsspezifische Gewalt könne für die Bestimmung der Identität einer Gruppe genutzt werden, führte er weiter aus.

Ein bulgarisches Gericht hatte dem EuGH Fragen zum internationalen Schutz gestellt. Es muss über den Antrag einer inzwischen geschiedenen Türkin kurdischer Herkunft und sunnitischer Religionszugehörigkeit entscheiden, die ursprünglich zwangsverheiratet wurde. Die Frau verließ ihre Familie wegen häuslicher Gewalt und flüchtete nach Bulgarien. Sie macht geltend, dass sie bei einer Rückkehr in die Türkei um ihr Leben fürchten müsse.

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind noch keine Entscheidung. Die Richterinnen und Richter des EuGH orientieren sich aber bei ihrem Urteil oft daran. Ein Termin für die Urteilsverkündung wurde noch nicht bekanntgegeben.

F.Wilson--HHA