Hamburger Anzeiger - Bundesgerichtshof macht Weg für Entschädigung in weiteren Dieselfällen frei

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Bundesgerichtshof macht Weg für Entschädigung in weiteren Dieselfällen frei
Bundesgerichtshof macht Weg für Entschädigung in weiteren Dieselfällen frei / Foto: THOMAS KIENZLE - AFP/Archiv

Bundesgerichtshof macht Weg für Entschädigung in weiteren Dieselfällen frei

Viele weitere Dieselkäufer in Deutschland können nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Montag auf Schadenersatz hoffen. Wie der BGH in Karlsruhe entschied, steht Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Entschädigung zu, wenn in ihrem Auto die Abgasreinigung wegen eines sogenannten Thermofensters nicht ordnungsgemäß funktioniert. Das gilt auch, wenn der Autobauer nicht absichtlich getäuscht, sondern lediglich fahrlässig gehandelt hat. (Az. VIa ZR 335/21 u.a.)

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Ein Thermofenster steuert die Abgasreinigung abhängig von der Außentemperatur. Bei besonders hohen oder tiefen Temperaturen wird die Reinigung gedrosselt, weswegen das Auto dann mehr potenziell gesundheitsschädliche Stickoxide ausstößt. Bislang hatte der BGH Schadenersatz wegen eines Thermofensters immer abgelehnt. Er argumentierte, dass es sich nicht um vorsätzliche Schädigung von Autokäufern, sondern höchstens um Fahrlässigkeit handle.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied aber im März, dass auch bei Fahrlässigkeit ein Anspruch auf Schadenersatz bestehe. Bereits vorher hatte er geurteilt, dass Abschalteinrichtungen wie Thermofenster nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig sind. Das europäische Urteil musste der BGH nun in die nationale Rechtsprechung integrieren.

Er erklärte nun, dass der Käufer einen Schaden erlitten habe, wenn die Verfügbarkeit seines Fahrzeugs in Frage stehe - etwa weil Betriebseinschränkungen oder die Stilllegung drohten.

In den drei Musterfällen ging es um Klagen gegen Audi, Volkswagen und Mercedes. In alle drei Fällen muss das jeweilige Oberlandesgericht, das die Klage zurückgewiesen hatte, nun neu verhandeln. Der Autokäufer muss jeweils beweisen, dass eine solche Abschalteinrichtung vorliegt. Der Hersteller muss beweisen, dass sie ausnahmsweise zulässig ist.

Wenn das jeweilige Gericht feststellt, dass in dem Auto eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist, muss der Hersteller beweisen, dass er weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat. "Kann sich der Fahrzeughersteller von jedem Verschulden entlasten, haftet er nicht", sagte die Vorsitzende Richterin Eva Menges bei der Urteilsverkündung.

Wenn der Hersteller aber haftet, soll er eine Entschädigung zahlen. Der ganze Kaufpreis soll nicht rückerstattet werden, sondern nur die Wertminderung. Ohne Expertengutachten solle eine Summe zwischen fünf und 15 Prozent des Kaufpreises gezahlt werden, erläuterte Richterin Menges. Davon müssten aber Vorteile abgezogen werden. Dazu kann etwa die bisherige Nutzung des Autos gehören oder ein Softwareupdate.

Die Autobauer berufen sich bislang darauf, dass sie nicht hätten wissen können, dass die verbauten Thermofenster möglicherweise unzulässig waren. In den strittigen Fällen war die Typgenehmigung vom Kraftfahrt-Bundesamt erteilt worden.

Für Volkswagen erklärte Anwältin Martina van Wijngaarden nach dem Urteil zum konkreten Fall: "Das Kraftfahrt-Bundesamt hat hundertfach bestätigt, dass in diesem Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist." Darum gehe der Konzern davon aus, dass die Klage am Ende abgewiesen werde.

A.Swartekop--HHA