Prozess gegen Le Pen: Anwalt kritisiert gefordertes Kandidaturverbot
Im Prozess um die Veruntreuung von EU-Geldern hat der Anwalt der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen die Forderung der Staatsanwaltschaft nach dem Entzug des passiven Wahlrechts heftig kritisiert. Dies sei eine "Massenvernichtungswaffe" mit Blick auf die demokratischen Gepflogenheiten, sagte Rodolphe Bosselut am Mittwoch, dem letzten Verhandlungstag. Die Staatsanwaltschaft hatte für Le Pen ein sofort geltendes Verbot gefordert, bei Wahlen anzutreten.
Dies würde ihre Pläne zunichte machen, zum vierten Mal bei der Präsidentschaftswahl anzutreten. Nach Umfragen könnte sie diese gewinnen - wobei das Regierungslager sich noch nicht für einen Kandidaten entschieden hat.
Das geforderte Verbot, bei Wahlen anzutreten, betreffe nicht nur Le Pen, "sondern mindestens 13 Millionen Wähler, wenn nicht die gesamte Wählerschaft", betonte der Anwalt, der zuvor erklärt hatte, dass er auf Freispruch plädieren werde. Das von der Staatsanwaltschaft geforderte sofort geltende Verbot - auch im Fall eines Berufungsverfahrens - habe "unverhältnismäßige juristische Konsequenzen", sagte er.
Die Staatsanwaltschaft hat auch fünf Jahre Haft, davon drei auf Bewährung, und eine Geldstrafe in Höhe von 300.000 Euro gefordert. Diese würden aufgeschoben, falls es zu einem Berufungsverfahren kommt.
Die Strafforderung komme der "Forderung einer politischen Eliminierung" gleich, sagte Bosselut. Sie lasse Zweifel an der "eigentlichen Absicht" der Staatsanwaltschaft aufkommen. Le Pen hatte auf die Forderung der Staatsanwaltschaft ähnlich reagiert: "Man will meinen politischen Tod", hatte sie erklärt.
Die Vorwürfe, Le Pen habe systematisch die Gehälter der Assistenten von EU-Abgeordneten genutzt, um die Parteifinanzen zu sanieren, wies der Anwalt zurück. Er wolle das Gericht überzeugen, dass die Praxis, die Le Pen und den übrigen Angeklagten vorgeworfen wird, "vollkommen gängig und harmlos" gewesen sei. Andere Parteien hätten es ebenso gemacht, fügte er hinzu. Es habe "keinerlei betrügerische Absicht" gegeben.
In dem seit sechs Wochen dauernden Prozess geht es um die mutmaßliche Scheinbeschäftigung von Assistenten im Europaparlament. Mit einem Urteil wird Anfang 2025 gerechnet.
Die Staatsanwaltschaft wirft Le Pen ein "organisiertes System" zugunsten ihrer Partei Rassemblement National (RN, früher Front National) vor. "Die Partei war finanziell in einer schwierigen Lage und hat alles genutzt, was möglich war, legal oder nicht legal", hatte die Staatsanwältin Louise Neyton betont. Das EU-Parlament sei die "Milchkuh" der Partei gewesen.
Neben Le Pen sind auch ihre Partei sowie frühere und aktuelle EU-Parlamentarier und deren Assistenten angeklagt. Le Pen hatte im Prozess immer wieder ihre Unschuld beteuert. Sie verwies darauf, dass die Assistenten nicht für einzelne EU-Abgeordnete, sondern für die gesamte Gruppe gearbeitet hätten.
O.Zimmermann--HHA