Selenskyj warnt vor Krieg in weiteren Ländern Europas
Der ukrainische Präsident Wolodymyr hat davor gewarnt, dass Russland weitere Länder in Europa mit Krieg überziehen könnte. "Wir können Russland entweder aufhalten oder ganz Osteuropa verlieren", sagte Selenskyj am Mittwoch in einer Videoansprache im estnischen Parlament. Die russische Armee versuchte derweil weiterhin, das südostukrainische Mariupol vollständig einzunehmen. Nach ukrainischen Angaben wurden in der strategisch wichtigen Hafenstadt mittlerweile mindestens 20.000 Menschen getötet. US-Präsident Joe Biden warf Russlands Staatschef Wladimir Putin vor, in der Ukraine "Völkermord" zu begehen.
AFP-Journalisten sahen am Dienstag reihenweise abgebrannte Häuserruinen in Mariupol. Die russischen Streitkräfte kontrollieren mittlerweile weite Teile der Stadt. Die verbleibenden ukrainischen Kämpfer haben sich in den weitläufigen Industriegebieten verschanzt.
Das Verteidigungsministerium in Moskau vermeldete, 1026 ukrainische Soldaten hätten am Mariupoler Iljitsch-Stahlwerk "freiwillig ihre Waffen niedergelegt und sich ergeben". Das Iljitsch-Werk liegt mehrere Kilometer nördlich des am Hafen gelegenen Industriekomplexes Asow-Stahl.
Dort hätten die russischen Angreifer zuletzt ihre Luftangriffe verstärkt, erklärten die ukrainischen Landstreitkräfte am Mittwoch. Auch russische Stellen hatten die Asow-Stahl-Werke als wichtigste verbleibende Bastion der ukrainischen Streitkräfte ausgemacht.
Nach dem Rückzug seiner Truppen im Norden der Ukraine hatte Russland angekündigt, den militärischen Fokus verstärkt auf den Donbass zu richten. Ziel Moskaus ist laut Experten die Errichtung einer direkten Landverbindung zwischen der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim und den von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten in den Regionen Luhansk und Donezk. Das am Asowschen Meer gelegene Mariupol gilt dabei als strategisch entscheidend.
Die Stadt wird seit den ersten Tagen des russischen Angriffs heftig beschossen und belagert. Die Eroberung durch die Angreifer erscheint seit geraumer Zeit unausweichlich, die verbliebenen ukrainischen Streitkräfte leisten aber weiter erbitterten Widerstand. Der ukrainische Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, sprach am Dienstag von 20.000 bis 22.000 Toten in Mariupol. Die Lage sei jedoch schwer zu überblicken.
US-Präsident Biden warf Putin vor, er wolle "die bloße Idee auslöschen, ein Ukrainer sein zu können". Letztlich müsse auf internationaler Ebene von Gerichten entschieden werden, ob es sich bei den Verbrechen an Zivilisten in der Ukraine um Völkermord handele. "Für mich sieht es aber definitiv so aus."
Nach den Berichten über Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha hatte Biden Putin in der vergangenen Woche bereits als "Kriegsverbrecher" bezeichnet. Den Vorwurf eines Genozids hatte er zunächst aber nicht erhoben.
Hoffnungen auf eine Deeskalation im Ukraine-Krieg waren nach den Berichten über Gräueltaten insbesondere im Großraum Kiew weitgehend zunichte gemacht worden. Die ukrainischen Behörden gehen nun von einer unmittelbar bevorstehenden russischen Großoffensive in weiteren Teilen der Ostukraine aus und appellieren seit Tagen an die Bevölkerung im Donbass, die Region zu verlassen.
Am Mittwoch werde sie jedoch keine Fluchtkorridore öffnen, erklärte die Regierung in Kiew. Die Lage sei zu gefährlich, die russischen Truppen hätten Flüchtlingsbusse in der Region Saporischschja gestoppt und in der Region Luhansk die Waffenruhe gebrochen.
Bei russischen Angriffen in der Region um die Großstadt Charkiw starben nach ukrainischen Angaben mindestens sieben Menschen. Mindestens 22 weitere Menschen seien bei den Angriffen binnen 24 Stunden verletzt worden, darunter drei Kinder, erklärte Regionalgouverneur Oleg Synegubow am Mittwoch.
Der stellvertretende Bürgermeister der zentralukrainischen Industriestadt Dnipro sprach von "mehr als 1500 toten russischen Soldaten in den Leichenhäusern" seiner Stadt. Allein diese Zahl übersteigt die bisher offiziell vom Kreml eingeräumten Verluste beim gesamten Einsatz in der Ukraine. Angaben der Kriegsparteien zu getöteten und verletzten Soldaten beider Seiten gehen weit auseinander und sind unabhängig kaum zu überprüfen.
A.Gonzalez--HHA