Hennig-Wellsow tritt nach nur 14 Monaten als Linken-Bundeschefin zurück
Rücktritt nach nur 14 Monaten: Susanne Hennig-Wellsow hat am Mittwoch mit sofortiger Wirkung ihr Amt als Parteivorsitzende der Linken niedergelegt. Die 44-Jährige nannte drei Gründe für den Schritt: Ihre "private Lebenssituation", den "Umgang mit Sexismus in den eigenen Reihen" sowie die dringend notwendige Erneuerung der Partei, für die "neue Gesichter" nötig seien. Ihr Bundestagsmandat will Hennig-Wellsow, die lange in der Thüringer Landespolitik tätig war, behalten.
Hennig-Wellsow war gemeinsam mit Janine Wissler am 27. Februar 2021 zur ersten weiblichen Doppelspitze der Partei gewählt worden. Bei der Bundestagswahl im September hatte die Linke dann nur 4,9 Prozent erzielt und erhielt sich lediglich aufgrund von drei Direktmandaten ihren Fraktionsstatus im Parlament.
"Wir haben zu wenig von dem geliefert, was wir versprochen haben", erklärte Hennig-Wellsow. "Ein wirklicher Neuanfang ist ausgeblieben." Hoffnungen und Erwartungen der Wählerinnen und Wähler seien enttäuscht worden, "eine Entschuldigung ist fällig". Sie zog ein vernichtendes Fazit des aktuellen Zustands der Partei: "Das Versprechen, Teil eines Politikwechsels nach vorn zu sein, konnten wir aufgrund eigener Schwäche nicht einlösen."
Hennig-Wellsow äußerte auch Selbstkritik: Sie habe ihr Ziel, eine Erneuerung der Linken anzustoßen, nicht erreichen können. "Ich weiß um die vermeidbaren Fehler, die ich selbst gemacht habe", schrieb sie. "Ich weiß auch, dass ich es nicht ausreichend vermocht habe, diejenigen zu überzeugen, die mit Erneuerung vor allem die Angst vor dem Verlust des Vertrauten, der Gewissheiten verbinden."
Mit Blick auf ihre private Lebenssituation schrieb Hennig-Wellsow, sie habe einen achtjährigen Sohn, "der mich braucht, der ein Recht auf Zeit mit mir hat". Des weiteren schrieb sie, die nötige Erneuerung der Partei brauche "neue Gesichter".
Zudem kritisierte sie, dass der "Umgang mit Sexismus in den eigenen Reihen eklatante Defizite unserer Partei offen gelegt" habe: "Ich entschuldige mich bei den Betroffenen und unterstütze alle Anstrengungen, die jetzt nötig sind, um aus der Linken eine Partei zu machen, in der Sexismus keinen Platz hat."
Die Partei sieht sich derzeit mit Sex-Vorwürfen konfrontiert, die die hessische Linke betreffen. Der "Spiegel" hatte berichtet, dort sei es über Jahre hinweg zu sexuellen Übergriffen gekommen. Zu den Beschuldigten soll demnach auch der ehemalige Lebensgefährte von Ko-Parteichefin Wissler gehört haben.
Der Mitarbeiter der Linken-Landtagsfraktion soll sich in den Jahren 2018 und 2019 übergriffig gegenüber einer jungen Frau aus der Partei verhalten haben. Die heute 22-Jährige, mit der der Mann eine Affäre gehabt haben soll, wirft ihm laut "Spiegel" unter anderem vor, sie als Minderjährige beim Sex gefilmt zu haben. Wissler wies den Vorwurf zurück, schon frühzeitig über die Vorgänge informiert gewesen zu sein.
Hennig-Wellsow war vor ihrem Wechsel in die Bundespolitik viele Jahre in Thüringen politisch tätig. 2001 wurde sie zunächst wissenschaftliche Mitarbeiterin in der damaligen PDS-Landtagsfraktion. 2004 holte sie dann selbst ein Landtagsmandat und engagierte sich vor allem in der Bildungspolitik. 2013 wurde sie Linken-Landesvorsitzende in Thüringen, 2014 übernahm sie auch den Fraktionsvorsitz.
Bundesweit Aufmerksamkeit wurde der damaligen Linken-Fraktionschefin in Thüringen im Februar 2020 zuteil: Empört warf sie dem FDP-Politiker Thomas Kemmerich einen Blumenstrauß vor die Füße, nachdem dieser mit den Stimmen von CDU und AfD überraschend zum Ministerpräsidenten gewählt worden war. Mit dem danach wiedergewählten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) bildete Hennig-Wellsow viele Jahre ein schlagkräftiges Tandem in Thüringen.
Der Linken-Politiker Gregor Gysi sagte den RND-Zeitungen, Hennig-Wellsow sei "in ihrer Funktion nicht glücklich" gewesen. Die frühere Thüringer Landes- und Fraktionschefin sei aber "auch nicht glücklich gemacht worden" in der Partei", fügte er hinzu.
H.Brunner--HHA