Hamburger Anzeiger - Macrons Aufruf zu einer breiten Koalition stößt in Frankreich auf Kritik

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Macrons Aufruf zu einer breiten Koalition stößt in Frankreich auf Kritik
Macrons Aufruf zu einer breiten Koalition stößt in Frankreich auf Kritik / Foto: Ludovic MARIN - AFP

Macrons Aufruf zu einer breiten Koalition stößt in Frankreich auf Kritik

Der Aufruf von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur Bildung einer "vielfältigen" Mehrheit ist in Frankreich auf Kritik gestoßen. "Er sollte endlich einsehen, dass er die Wahlen verloren hat", sagte Gewerkschaftschefin Sophie Binet am Donnerstag. Macron erinnere an den Sonnenkönig Ludwig XIV., der sich in seinem Schloss in Versailles eingeschlossen habe, sagte sie. "Er sollte einen Premierminister der Neuen Volksfront benennen, und diese nach einer Mehrheit suchen lassen", fügte sie hinzu.

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Macron hatte am Vorabend in einem Brief an die Französinnen und Franzosen erklärt, dass "niemand" die vorgezogene Parlamentswahl gewonnen habe. Der Brief war die erste Reaktion überhaupt des Präsidenten auf das Ergebnis der von ihm ausgerufenen Neuwahl. Auf dem Nato-Gipfel in Washington erklärte Macron am Donnerstag lapidar, dass er sich dort nicht weiter zur Lage in Frankreich äußern werde.

Tatsächlich hatte die Wahl die Bildung von drei Blöcken zur Folge, von denen keiner auf eine Mehrheit kommt. Dabei liegt das Linksbündnis Neue Volksfront mit gut 190 Abgeordneten vorn, gefolgt vom Regierungslager mit gut 160 Abgeordneten und den Rechtspopulisten mit etwa 140 Abgeordneten. Die Zahlen schwanken, weil sich viele Abgeordnete nicht eindeutig zuordnen lassen. Für eine Mehrheit sind 289 von 577 Sitzen in der Nationalversammlung nötig.

Die erneut zur Fraktionschefin der Linkspopulisten gewählte Mathilde Panot warf Macron vor, "so zu tun, als habe es keine Wahlen gegeben". "Wir lassen uns den Wahlsieg nicht nehmen", betonte sie. Die Neue Volksfront, in der ihre Partei La France Insoumise die größte Gruppe bildet, werde in Kürze nicht nur einen Kandidaten für das Amt des Premierministers benennen, sondern eine gesamte Regierungsmannschaft. Sie bekräftigte, dass es "republikanische Tradition" sei, dass die größte Gruppe in der Nationalversammlung den Regierungschef vorschlage.

Macron hatte angekündigt, die Regierung zunächst im Amt zu belassen. Es gilt als wahrscheinlich, dass er den von Premierminister Gabriel Attal nach der Wahl angebotenen Rücktritt erst am 17. Juli annimmt und die Regierung dann zur "geschäftsführenden" Regierung erklärt. Dies ermöglicht den 17 Regierungsmitgliedern, die in die Nationalversammlung gewählt wurden, beide Ämter zugleich wahrzunehmen. Insbesondere können sie am 18. Juli über den strategisch wichtigen Posten des Vorsitzenden der Nationalversammlung mit abstimmen.

Der Fraktionschef der Republikaner im Senat, Gérard Larcher, sprach sich dafür aus, eine geschäftsführende Regierung unter Attal bis September im Amt zu belassen. "Wir sollten uns Zeit lassen, zumindest bis zum Ende der Olympischen Spiele, während der wir die Welt bei uns zu Gast haben", sagte Larcher dem Sender BFM.

Koalitionsverhandlungen wie in Deutschland sind in Frankreich derzeit undenkbar, da in vielen Fällen nicht einmal die Zugehörigkeit einzelner Abgeordneter geklärt ist. Bis zum 18. Juli müssen sich die Abgeordneten in Fraktionen zusammenschließen, die allerdings nicht unbedingt den Bündnissen vor der Wahl entsprechen.

Macron hatte die Parlamentswahl nach dem Erfolg der Rechtspopulisten bei der Europawahl am 9. Juni ausgerufen. Mit einem Sieg des Linksbündnisses hatte kaum jemand gerechnet.

E.Mariensen--HHA