Hamburger Anzeiger - Historischer Gefangenenaustausch des Westens mit Russland: Mehrere Deutsche frei

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Historischer Gefangenenaustausch des Westens mit Russland: Mehrere Deutsche frei
Historischer Gefangenenaustausch des Westens mit Russland: Mehrere Deutsche frei / Foto: Alexander NEMENOV - AFP/Archiv

Historischer Gefangenenaustausch des Westens mit Russland: Mehrere Deutsche frei

Beim größten Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg sind am Donnerstag 24 Häftlinge freigekommen - unter ihnen mehrere inhaftierte Deutsche. Wie die Regierungen in Ankara, Washington und Berlin mitteilten, wurden bei dem vom türkischen Geheimdienst ausgeführten "historischen Gefangenenaustausch" auch der in Deutschland inhaftierte sogenannte Tiergarten-Mörder sowie der in Russland verurteilte US-Reporter Evan Gershkovich ausgeflogen. Insgesamt sieben Staaten waren an dem Austausch beteiligt.

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Die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland sind insbesondere wegen des Ukraine-Kriegs äußerst gespannt. Einen solch großen Gefangenenaustausch zwischen beiden Seiten hatte es zuletzt im Kalten Krieg gegeben.

Nach Angaben des türkischen Präsidialamts flogen zwei Flugzeuge aus den USA und je ein Flugzeug aus Deutschland, Polen, Slowenien, Norwegen, Russland und Belarus Häftlinge in die Türkei. 13 von Russland freigelassene Häftlinge wurden demnach nach Deutschland gebracht, drei weitere in die USA. US-Präsident Joe Biden erklärte, unter den 16 von Russland freigelassenen Menschen seien fünf Deutsche, sieben Russen, drei US-Bürger sowie ein Einwohner mit ständigem Wohnsitz in den USA.

Zu den prominenten Freigelassenen zählen neben dem US-Reporter Gershkovich auch der russische Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa, der auch die britische Staatsbürgerschaft hat, sowie der russische Oppositionelle lja Jaschin.

Das türkische Präsidialamt sprach von insgesamt 26 Freigelassenen und zählte dabei offenbar zwei Minderjährige mit. Die acht oder zehn vom Westen Freigelassenen wurden demnach nach Russland geflogen. Das türkische Präsidialamt veröffentlichte nur einen Teil der Namen der freigekommenen Häftlinge. Biden sprach von einer "Meisterleistung der Diplomatie", welche die "Qualen" von Häftlingen wie Gershkovich beendet habe.

Der nun frei gekommene, als "Tiergarten-Mörder" bekannte Russe Vadim Krasikow war Ende 2021 zu lebenslanger Haft in Deutschland verurteilt worden. Er hatte nach Überzeugung des Berliner Kammergerichts im Auftrag des russischen Staats im August 2019 einen tschetschenischstämmigen Georgier im Kleinen Tiergarten in der Hauptstadt erschossen. Die Bundesregierung habe sich ihre Zustimmung zu Krasikows Freilassung "nicht leicht gemacht", erklärte ihr Sprecher Steffen Hebestreit in Berlin.

Nach türkischen Angaben kam auch der 30-jährige Deutsche Rico Krieger frei, der laut Menschenrechtsorganisation Wjasna am 24. Juni in Belarus wegen Vergehen wie "Terrorismus" und "Söldnertum" zum Tode verurteilt worden war. Am Dienstag hatte es dann aus Minsk geheißen, der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko habe den Deutschen "unter Berücksichtigung aller Umstände" begnadigt. Zuvor hatte Krieger in vom belarussischen Staatsfernsehen gezeigten Aufnahmen um seine Begnadigung gebeten.

Der "Wall Street Journal"-Reporter Gershkovich war im März 2023 festgenommen und dieses Jahr am 19. Juli wegen "Spionage" zu 16 Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt worden. Der 32-jährige US-Journalist, seine Redaktion und die US-Regierung hatten die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen.

Gershkovichs Prozess hatte nur gut drei Wochen gedauert - weitaus kürzer als in ähnlichen Fällen. Moskau verfolgt seit langem die Linie, ausländische Gefangene erst dann auszutauschen, wenn sie verurteilt worden sind. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte angedeutet, dass der US-Reporter im Austausch freikommen könnte - und dabei Krasikow erwähnt.

Auch der 54-jährige frühere US-Soldat Paul Whelan, der seit Dezember 2018 wegen "Spionage" in Russland inhaftiert war, kam am Donnerstag frei.

Die Türkei bestätigte zudem die Freilassung der russischen Oppositionspolitiker Jaschin und Kara-Mursa. Der gesundheitlich schwer angeschlagene Kara-Mursa war wegen "Hochverrats" und der "Verbreitung falscher Informationen" inhaftiert worden. Jaschin, ein Vertrauter des 2015 ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow und Freund des in einem russischen Straflager gestorbenen Alexej Nawalny, war wegen Kritik am russischen Angriffskrieg in der Ukraine verurteilt worden.

In den vergangenen Tagen hatte die Verlegung mehrerer in Russland inhaftierter Oppositioneller sowie der unklare Verbleib weiterer Häftlinge Spekulationen über einen bevorstehenden größeren Gefangenenaustausch genährt.

Zuletzt hatte es im Dezember 2022 einen Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen gegeben. Damals kam die US-Basketballspielerin Brittney Griner im Tausch gegen den verurteilten russischen Waffenhändler Viktor Bout frei. 2010 hatten Russland und der Westen 14 mutmaßliche Spione ausgetauscht, darunter den russischen Doppelagenten Sergej Skripal und die russische Undercover-Agentin Anna Chapman.

Der stellvertretende Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, Christian Mihr, äußerte sich "sehr erleichtert" über die Freilassungen. Allerdings hinterlasse Putins Missbrauch der politischen Häftlinge als "Faustpfand" einen "bitteren Beigeschmack". Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen sowie der Deutsche Journalisten-Verband reagierten erleichtert auf Gershkovichs Freilassung.

E.Mariensen--HHA