Israel und Hisbollah setzen Angriffe nach Scheitern von Waffenruhe-Initiative fort
Nach dem Scheitern einer Initiative für eine Waffenruhe haben Israel und die Hisbollah ihre gegenseitigen Angriffe fortgesetzt. Die israelische Armee teilte am Freitag mit, sie habe "dutzende Angriffe" auf Stellungen der proiranischen Miliz im Libanon ausgeführt. Die Hisbollah feuerte mehrere Raketen und Drohnen auf Israel ab. Nach Armeeangaben wurden mehrere Geschosse abgefangen. Mit Spannung wurde die Rede des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bei der UN-Generaldebatte in New York erwartet.
Israels Absage an eine Waffenruhe im Konflikt mit der Hisbollah sorgte für Frust bei den USA und Frankreich, die die Initiative zusammen mit Deutschland und anderen Staaten auf den Weg gebracht hatten. Der Vorschlag habe "viel Sorgfalt und Mühe gekostet", erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby.
Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach von einem "Fehler" Netanjahus. Der israelische Regierungschef habe selbst an der Vorbereitung des Plans für die Waffenruhe mitgearbeitet, sagte Macron bei einem Besuch in Kanada. Netanjahu trage nun die Verantwortung, sollte es zu einer regionalen Eskalation kommen.
Netanjahu wird am Freitag gegen 15.30 Uhr vor der UN-Vollversammlung sprechen. Er hatte dem Vorschlag für eine Waffenruhe am Donnerstag eine Absage erteilt. Stattdessen wies er das Militär an, die Angriffe gegen die Hisbollah-Miliz "mit voller Kraft" fortzusetzen. Der israelische Außenminister Israel Katz bekräftigte, die Armee werde den Kampf "bis zum Sieg" fortsetzen.
Am Freitag nahm die israelische Armee nach eigenen Angaben "terroristische Infrastruktur" der Hisbollah "in vielen Teilen des Südlibanons" ins Visier. Sie berichtete über einen Raketenangriff auf die Hafenstadt Haifa im Norden Israels. Vier aus dem Libanon abgefeuerte Drohnen seien zudem in der Region Rosch Hanikra nahe der libanesischen Grenze abgefangen worden.
Die Hisbollah-Miliz bekannte sich zu einem Angriff auf die nahe Haifa gelegene Stadt Kiryat Ata, in der unter anderem mehrere Rüstungsbetriebe angesiedelt sind. Als Reaktion auf die jüngsten israelischen Angriffe feuerte die Hisbollah nach eigenen Angaben auch mehrere Raketen auf die nordisraelische Stadt Tiberias ab.
In Syrien wurden derweil nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Sana bei einem israelischen Angriff auf Stellungen nahe der Grenze zum Libanon fünf syrische Militärangehörige getötet.
Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah hatte sich bereits seit dem Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen deutlich verschärft. Israels Norden steht seither unter Dauerbeschuss durch die Hisbollah, die sich als Teil der "Achse des Widerstands" gegen Israel sieht, der auch die Hamas, die Huthi-Miliz im Jemen und schiitische Gruppen im Irak und in Syrien angehören.
Die Tötung mehrerer Hisbollah-Kommandeure und die vorherigen Explosionen hunderter Pager und Walkie-Talkies der Miliz hatten den Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah zuletzt erheblich verschärft. Bei den Explosionen der Kommunikationsgeräte waren 39 Menschen getötet und fast 3000 weitere verletzt worden.
Am Donnerstag tötete die israelische Armee bei einem gezielten Luftangriff im Süden Beiruts einen weiteren Hisbollah-Kommandeur. Die Miliz bestätigte später den Tod des Befehlshabers ihrer Drohneneinheit, Mohammed Srur.
Seit Montag wurden nach Behördenangaben im Libanon mehr als 700 Menschen durch israelische Angriffe getötet. Die Gesamtzahl der Todesopfer seit Beginn der Gefechte zwischen Israel und der Hisbollah liege bei mehr als 1500.
Die internationale Gemeinschaft verstärkte angesichts der anhaltenden Gewalt ihre Bemühungen um eine Deeskalation. US-Außenminister Antony Blinken traf am Donnerstag in New York den israelischen Minister für strategische Fragen, Ron Dermer. Eine Waffenruhe würde es "Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze erlauben, nach Hause zurückzukehren", sagte Blinken Dermer. Wegen des Konflikts mussten bisher mehrere zehntausend Menschen auf beiden Seiten der Grenze ihr Zuhause verlassen.
Um einen "regionalen Flächenbrand" im Nahen Osten zu verhindern, müssten "alle Akteure Zurückhaltung üben", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Angaben ihres Ministeriums bei einem Treffen mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi am Rande der UN-Generaldebatte in New York.
An Israel und die Palästinenser appellierte Baerbock, das Sicherheitsbedürfnis der anderen Seite zu akzeptieren und als einen Weg zum Frieden anzuerkennen. "Dauerhafte Sicherheit für Israelis wird nur möglich sein, wenn es dauerhafte Sicherheit für Palästinenser gibt", sagte sie in ihrer Rede bei der Generaldebatte. "Und umgekehrt gilt: Dauerhafte Sicherheit für die Palästinenser ist nur möglich, wenn es dauerhafte Sicherheit für die Israelis gibt."
F.Fischer--HHA