Iran greift Israel mit Raketen an - Israel kündigt Vergeltung an
Zum zweiten Mal binnen sechs Monaten hat der Iran am Dienstag Israel mit Raketen angegriffen. Im ganzen Land sei Raketenalarm ausgelöst worden, teilte die israelische Armee mit. Sie wies die Bevölkerung an, sich in Sicherheit zu bringen - gab am Abend jedoch vorläufig Entwarnung. Die Bundesregierung verurteilte die iranische Attacke "auf das Allerschärfste". Israel kündigte Vergeltung an.
In ganz Israel war am Abend Luftalarm zu hören. Das Militär wies die Menschen an, sich in Sicherheit zu bringen. "Sie werden gebeten, bis auf weiteres in Schutzräumen zu bleiben", hieß es zunächst in einer Erklärung der Armee. Die zu hörenden Explosionen stammten "von abgefangenen oder heruntergefallenen Geschossen". Wenig später gab es dann Entwarnung: Es bestehe "im Moment" keine Gefahr mehr durch iranische Angriffe, erklärte die Armee am Abend.
Im besetzten Westjordanland sei ein Palästinenser in Jericho durch herabfallende Raketenteile getötet worden, teilte der örtliche Gouverneur mit. Der israelische Rettungsdienst Magen David Adom meldete zwei leicht Verletzte im Raum Tel Aviv.
Nach Angaben der Armee wurde "eine große Anzahl" iranischer Raketen abgefangen. Es habe aber auch ein paar "Einschläge" im Zentrum und im Süden des Landes gegeben, teilte Armeesprecher Daniel Hagari mit.
Israels Raketenabwehrsystem war bereits bei dem ersten direkten Angriff aus dem Iran auf Israel im April im Einsatz gewesen; trotz hunderter Drohnen und Raketen war es damals kaum zu Schäden gekommen. US-Präsident Joe Biden wies seine Armee an, Israel zu Hilfe zu kommen und wie schon im April iranische Raketen abzuschießen. Auch Jordanien teilte mit, iranische Raketen und Drohnen am Dienstagabend abgefangen zu haben.
Angesichts des Raketenbeschusses wurde der Luftraum über Israel komplett abgeriegelt. "Flüge werden zu anderen Zielen außerhalb Israels umgeleitet", sagte ein Sprecher der Flughafenbehörde. Auch Jordanien, der Libanon und der Irak stellten den Flugverkehr vorläufig ein.
Die iranische Nachrichtenagentur Irna berichtete von einem "Raketenangriff auf Tel Aviv", ohne jedoch weitere Details zu nennen. Die iranischen Revolutionsgarden erklärten, der Angriff auf Israel sei eine Reaktion auf die Tötung des Chefs der pro-iranischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, in der vergangenen Woche in Beirut sowie des Chefs der radikalislamischen Hamas, Ismail Hanija, Ende Juli in Teheran. Für beide Vorfälle wird Israel verantwortlich gemacht.
Israel kündigte nach den iranischen Raketenangriffen am Dienstag Vergeltung an. "Dieser Angriff wird Konsequenzen haben", sagte Armeesprecher Hagari. "Wir haben Pläne, und wir werden an dem Ort und zu der Zeit handeln, die wir bestimmen."
Die Revolutionsgarden hatten in ihrer Erklärung vor einem "vernichtenden Angriff" gewarnt, sollte Israel auf den jüngsten Raketenbeschuss reagieren.
Die Bundesregierung verurteilte den iranischen Raketenangriffe auf Israel "auf das Allerschärfste". Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte im Online-Dienst X: "Iran muss den Angriff sofort einstellen." Er führe die Region "weiter an den Abgrund".
Die US-Regierung hatte bereits am Nachmittag gewarnt, dass der Iran einen unmittelbar bevorstehenden Raketenangriff auf Israel vorbereite. Die US-Botschaft in Israel wies ihre Mitarbeiter und deren Familienangehörige daraufhin an, sich in Sicherheit zu bringen.
Unterdessen wurden bei einem Schusswaffenangriff in Tel Aviv Polizeiangaben zufolge mindestens vier Menschen getötet und sieben weitere verletzt. Zwei "Terroristen" seien "neutralisiert" worden, hieß es. Der Angriff ereignete sich demnach im zentralen Stadtviertel Jaffa. Bilder von Überwachungskameras zeigten, wie die beiden Angreifer aus einer Straßenbahn ausstiegen und mit Schnellfeuerwaffen auf Menschen schossen.
Die israelische Armee geht derzeit mit massiven Luftangriffen gegen die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon vor und startete in der Nacht zum Dienstag nach eigenen Angaben einen "begrenzten" Bodeneinsatz im Nachbarland. Am Freitag war Hisbollah-Anführer Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Der Iran drohte daraufhin mit Vergeltung. Bereits auf die Israel zugeschriebene Tötung von Hamas-Chef Hanija Ende Juli hatte Teheran mit Vergeltung gedroht.
Die Hisbollah hatte unmittelbar nach dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres mit regelmäßigen Raketenangriffen aus dem Libanon eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Im April hatte der Iran Israel erstmals direkt von seinem Staatsgebiet aus mit mehr als 300 Raketen und Drohnen beschossen. Mehrere Verbündete halfen Israel damals bei der Abwehr des Angriffs.
H.Graumann--HHA