Mindestlohn soll zum Oktober auf zwölf Euro steigen - Kabinett beschließt Gesetz
Der gesetzliche Mindestlohn soll zum Oktober dieses Jahres auf zwölf Euro pro Stunde steigen. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch einen Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der von einer "Frage der Leistungsgerechtigkeit und des Respekts vor ehrlicher Arbeit" sprach. Zuspruch kam von den Gewerkschaften, von Arbeitgeberseite wurde allerdings Kritik daran laut, dass die Regierung mit ihrem Schritt die unabhängige ständige Mindestlohnkommission umgeht.
Den Mindestlohn gibt es seit Januar 2015, seitdem stieg er auf Empfehlung der prüfenden Mindestlohnkommission stetig an. Seit Jahresbeginn gilt eine gesetzliche Lohnuntergrenze von 9,82 Euro, zum 1. Juli steigt sie planmäßig auf 10,45 Euro. Im Oktober folgt dann die geplante Erhöhung auf zwölf Euro. Davon profitierten "über sechs Millionen hart arbeitende Menschen, vor allem in Ostdeutschland und vor allem Frauen", erklärte Heil.
Die Mindestlohnkommission erklärte dazu, sie werde erst im Juni 2023 wieder über eine Anpassung des Lohns entscheiden, der dann ab Anfang 2024 gelten würde. Theoretisch kann sie in diesem Jahr einen turnusmäßigen Bericht zu den Auswirkungen des Lohns vorlegen - darauf verzichtet sie nach eigenen Angaben aber.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die geplante Erhöhung. Das sei "eine Frage der Wertschätzung der Arbeit vieler Millionen Menschen hierzulande und ein wichtiger Schritt, um Armut zu vermeiden". Der Bundestag müsse das Gesetz daher nun rasch beschließen. Die Erhöhung komme auch der Konjunktur zugute, weil dadurch die Kaufkraft steige.
Als "Fehler" bezeichnete der DGB hingegen die im Rahmen des Gesetzes geplante Ausweitung der Minijob-Grenze auf 520 Euro, die künftig an die Höhe des Mindestlohns gekoppelt werden soll. Damit werde die Chance auf eine grundlegende Reform vertan und viele Millionen Beschäftigte fielen damit auch weiterhin nicht unter den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung, kritisierte der DGB.
Der Arbeitgeberverband BDA äußerte Kritik. Mit den Plänen der Regierung werde "die vertrauensvolle Zusammenarbeit der vergangenen Jahre in der Mindestlohnkommission schwer gestört", erklärte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Mit der Umgehung des Gremiums werde der Mindestlohn zum "Spielball der Politik". Auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft kritisierte einen "politischen Mindestlohn" und sprach von einer "Schwächung der Tarifautonomie".
Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, gab in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zu bedenken, dass sich dieser Gesetzgebungsprozess nun "grenzenlos wiederholen" lasse. Die Ampel-Koalition entmachte die Mindestlohnkommission und zeige mangelnden Respekt.
Kritik kam dazu auch von der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion. Das Ziel sei das richtige, der Weg aber der falsche, erklärte ihr Vorsitzender Axel Knoerig (CDU). Die Mindestlohnkommission dürfe "nicht umgangen werden". Im nun anlaufenden Gesetzgebungsverfahren müsse die Ampel daher "nachbessern und auch die Kriterien des Auftrags der Kommission ergänzen".
Die Linke gab zu bedenken, dass die Gefahr von Mindestlohnbetrug nicht gebannt sei. Zwar sei die Erhöhung "überfällig" gewesen. "Einfallstor" für Betrug bleibe aber die nach wie vor nicht dokumentierte Arbeitszeiterfassung durch die Arbeitgeber. Es reiche nicht, den Mindestlohn zu erhöhen, er müsse auch bei den Beschäftigten ankommen.
A.Roberts--HHA